Wie bei China USB-Ladegeräten mit den Ampere übertrieben wird

Arduino, Raspberry Pi, Handy, Kamera: all das und noch viel mehr läßt sich mit einem USB-Ladegerät aufladen oder betreiben.

Alle Ladegeräte liefern 5 Volt, weil dies der USB-Standard so vorsieht. Worin Ladegeräte sich unterscheiden, ist die Stromstärke, die sie liefern können. Während der Computer meist nur 500 mA (1000 mA = 1 A) ausspuckt, sollten Ladegeräte schon mehr bringen. Denn davon abhängig ist, wie schnell ein Handy geladen ist. Ein Handyakku mit 3000 mAh braucht bei 500 mA etwa sechs Stunden, mit 1 A etwa drei Stunden und mit 2A nur noch anderthalb Stunden.

Es ist also wichtig, wenn man nicht ewig warten will, ein Ladegerät mit entsprechender Leistung zu kaufen. Auch für den (großen) Raspberry Pi wird ein Ladegerät mit 2A für den Betrieb empfohlen, um auf der sicheren Seite zu sein, wenn dieser doch mal ein wenig mehr zu tun hat.

Ich habe mich darum für das folgende Gerät "Nokoko-10" bei eBay entschieden. Wie so oft bekommt man dies per Direkt-Import aus China sehr viel billiger, als wenn man es im Laden in Deutschland kauft. Nach knapp vier Wochen kam die Lieferung mit vier Geräten heute bei mir an.



Das folgende Leistungsdaten verspricht:



Das die Chinesen die Leistungswerte der einzelnen Ports gerne mal zusammenzählen war mir bereits bewusst. Ich ging also davon aus, dass die 3.1 Ampere zustande kamen, indem die 1.0 A des 1. Ports zu den 2.1 A des 2. Ports zusammengerechnet wurden.


Und das einer der beiden Ports 2.1 A liefern sollte wurde mehrfach und explizit erwähnt: Also endlich mal ein günstiges Ladegerät, dass 2 Ampere kann.

Sollte man meinen.




Meine Messungen haben aber ergeben, dass die Spannung bereits bei 950 mA, also nicht einmal einem Ampere von 5V rapide auf 3.3V zusammenbricht. Und dies auf beiden Kanälen.

Dazu habe ich einen kleinen USB-Spannung und Stromstärkemesser zwischen das Ladegerät und einer einstellbaren Last geschaltet, der laufend Volt und Ampere anzeigt.

Die variable Last macht nichts anderes, als Strom in Wärme umzuwandeln und kann mittels eines Potis verstellt werden von 0 bis 3 Ampere.

Wenn man die Last langsam steigert, kommt man an den Punkt, an dem die Spannung zusammenbricht, weil der entnommene Strom zu hoch wird. Das sollten laut Spezifikation bei diesem Gerät ja 2.1A sein, waren in Wahrheit aber nicht mal die Hälfte: 950 mA!




Zwischen dem "2.1A" und dem 1A-port gibt es keinerlei Unterschied, den kann es auch gar nicht geben, denn die beiden USB-Ports sind parallel geschaltet und gehen über die selbe Leitungen. Es muss also bei beiden Ports die gleiche Leistung ankommen. Beim USB-Port sind die beiden Stromleitungen GND und +5V auf den Außenseiten (auf dem Bild gelb markiert) und die beiden Datenleitungen innen. Wie man sieht sind beide Ports fest parallel miteinander verdrahtet. Es gibt also keine zwei unterschiedlichen Ports mit 2.1A und 1A, sondern nur zwei gleiche. Und die haben gerade mal 950 mA zusammen. Man kann also ein Gerät mit 950 mA laden oder 2 mit je 475 mA.

Ich kann mir schon vorstellen, wie das zustande kommt. Die Chinesen haben aus 100 Geräten das beste genommen, das statt üblicher 950 mA sogar mal 1050 mA schaffte. Das wurde mal zwei genommen, macht 2.1A. Das war schon mal die erste Übertreibung. Aber damit nicht genug. Das schreibt man jetzt über die erste Buchse, weil man ja keine Ahnung hat (oder vorsätzlich betrügen will?). Aber da ist ja noch eine zweite Buchse. Die hat ja auch nochmal 1 Ampere. Muss ja so sein, dass man die vergessen hat, da steht ja nichts über dem Ausgang drüber. Also schnell 1A drüber kritzeln. Das war die zweite Übertreibung bzw. Lüge. Das muss man natürlich wieder zusammenrechnen, weil andere machen das ja auch so. Macht zusammen 3.1A. Und das schreibt man dann auf die Rückseite und verkauft das so.

In Wahrheit ist das aber ein Ladegerät mit zwei 1A-Ausgängen, wobei die 1A schon schöngeredet sind. Sicher sind nur 900 mA.


Eines der vier Geräte funktionierte schon mal gleich nicht, "Dead On Arrival" nennt man das wohl. Darum hatte ich keine Probleme damit, es mit sanfter Gewalt zu öffnen und mir das Innere anzuschauen, was unter Anderem zur obigen Bestätigung der Parallelschaltung führte.

Aber ich fand auch noch eine große Lötkugel, die sich zwischen zwei Pins verklemmt hat und so einen Kurzschluss verursachte, so dass das Gerät nicht funktionierte. Auch im Deckel fand ich noch ein paar Lötspritzer. Auch wenn die Platine sonst halbwegs ordentlich gelötet aussehen - sowas sollte nicht passieren. Schließlich geht es hier um ein Gerät, dass an 230V angeschlossen wird und dass durch einen Kurzschluss auch ganz schnell mal abrauchen kann.

Ich habe auch noch ein kleines Video gedreht, die meine Messungen und das Innere des Ladegeräts zeigen:



Eine spätere, kleinere Recherche über das Ladegerät "Nokoko-10" brachte dann noch zutage, dass es eine Sicherheitswarnung von der EU Kommision wegen Brandgefahr und elektrischem Schlag gibt:



Es gibt sogar eine Rückrufaufforderung. Damit hätte das Netzteil eigentlich gar nicht in die EU eingeführt werden dürfen, nehme ich mal an. Ich kann deshalb nur vom Kauf abraten, allein deswegen schon, dass das Gerät beschlagnahmet und vernichtet werden wird, wenn der Zoll mal genauer hinschauen sollte.

Ich habe den Verkäufer über eBay übrigens mal um eine Stellungnahme gebeten, was die falsche Beschreibung und den Pfusch mit der Lötkugel angeht. Hoffnungen auf Einsicht mache ich mir allerdings nicht viele. Ich schätze mal, es wird mir eine anteilige Rückerstattung wegen des defektes Gerätes gemacht...

(Nachtrag 2018-12-26) Selbst um eine Rückerstattung musste ich kämpfen. In etlichen e-mails (natürlich auf englisch) hin und her wurden Beweisfotos angefordert, geliefert, eine nochmalige Zusendung vorgeschlagen und von mir abgelehnt. Den Trick kenn ich auch: man schick nichts los und gewinnt so nochmals ein, zwei Monate; dann ist keine Bewertung mehr möglich. Als ich konkret eine Rückerstattung verlangte, die mich für den erfundenen Anteil an Amperes und das defekte Gerät entschädigen wollte, verlangte man doch höflich, aber frech, dass ich im Voraus positiv bewerte, weil es doch ach so böse eBayer gäbe, die nachher trotz Erstattung negativ beurteilen würden. Mein Gegenvorschlag lautete, dass man mir doch bitte zuerst das Geld zurück erstatten solle und dann würde ich bewerten wie es mir beliebt, ansonsten würde ich eBay über die illegale Einflussnahme auf Bewertungen berichten. Einen Tag später war die Rückerstattung da und ich gab eine neutrale Bewertung ab - ein wenig Bemühen war ja doch erkennbar. Obwohl für einen Westeuropäer der kleine Eurobetrag in keinem Verhältnis zu dem entstandenen Aufwand steht. Aber hier ging es mir ums Prinzip, jemand mit seinen dreisten Lügen nicht einfach ungeschoren davon kommen zu lassen.

Ich habe natürlich den Verkäufer auch mehrmals auf die falsche Artikelbeschreibung aufmerksam gemacht und dass es einen Rückruf für das Gerät in der EU gibt, weil es als gefährlich eingestuft wird. Darauf ging er gar nicht ein. Die Artikelbeschreibung ist bis heute unverändert und dass die daraus resultierenden negativen Bewertungen seinen Ruf nach unten ziehen, scheint ihm zwar nicht egal zu sein, aber das scheint er lieber durch den "Erst positiv bewerten, dann Rückerstattung"-Trick zu verhindern, als ehrlich zu agieren.


Vorher war ich übrigens schon mit einem anderen USB-Ladegerät hereingefallen, dass mit 3.1A beschriftet ist. Das hat 3 Anschlüsse untereinander, die mit "3.1A" betitelt sind und das es mit seitlichem Aufdruck in vielen Farben gibt.

Durch die Beschriftung denkt man, der eine Port hätte 3.1 A und die beiden anderen vielleicht andere Werte.

Aber auch hier kommt wieder der Additions-Trick zur Anwendung: Alle drei Ports zusammen haben 3.1 Ampere. Wobei das schon wieder übertrieben ist.

Kein Port der 4 oder 5 3-fach-Ladegeräte schaffte 1.03 A, sondern alle brachen bei 650 bis 700 mA zusammen. Auch diese Teile müsste eigentlich als 600 mA-Ladegeräte verkauft werden.

Es würde mich auch hier kaum wundern, wenn hier alle USB-Ports wieder parallel geschaltet wären und die ca. 650 mA für alle Ports zusammen gelten würden, man also 3 Geräte zusammen mit nur je ca. 220 mA betreiben könnte.

Man darf sich nicht der Illusion hingeben, dass man etwas unter Wert kaufen könnte, auch nicht aus China. Je höher die Leistungsabgabe eines Ladegeräts ist, desto teurer werden auch die elektronischen Bauteile. Für einen Euro ist das nicht machbar, wenn man noch eine Kleinigkeit verdienen will.

Darum kann man mit einem Ladegerät, dass fast einen Ampere Ladestrom bietet für einen Euro ganz zufrieden sein. Man darf nur nicht den Fehler machen, sich auf die Angaben zu verlassen. Was zu schön ist, um wahr zu sein, ist meistens auch nicht wahr.

Dieser Grundsatz gilt übrigens auch für die oft fantastisch übertriebenen Laufzeiten in Milliamperestunden von Akkus und Powerbanks. Oder den angeblichen Lichtstärken in Lumen von Taschenlampen.

Nachtrag 2023


Auch heute, im Jahr 2023, wird noch munter übertrieben bei günstigen USB-Ladegeräten aus China.

So warb ein Angebot vom Anfang des Jahres mit vier Buchsen je 3.1 A, was zusammen 4 x 3.1 A x 5 V = 62 Watt machen würde. In Wahrheit lieferten alle vier parallel geschalteten USB A-Buchsen nur 1.7A bei 5V zusammen, was gerade mal 8.5 Watt ausmacht, also gerade mal 13.7% der beworbenen Leistung. Noch schlimmer: in manchen dieser Geräte wurden blanke Eisengewichte mit nur einem Schaumstoffklebekissen eingeklebt, die, wenn sie sich durch die Wärme lösen sollten, leicht einen Kurzschluss erzeugen können. Wahrscheinlich sollte sich das Gerät aufgrund des höheren Gewichtes wertiger anfühlen. Diese Täuschung auch noch auf Kosten der Sicherheit durchzuführen finde ich besonders dreist.

Weitere günstige Geräte zur Jahresmitte warben mit einem großen 48W Aufdruck, und wollten gleich sechs USB-A Buchsen zu je 3.5A zur Verfügung stellen. Auch hier gilt: maßlos übertrieben. Nicht einer der Buchsen schafft 3.5A, nein alle zusammen (wieder parallel geschaltet) schafften 3.0A. Das sind zwar immerhin 15 Watt, aber auch nur 31.25% der versprochenen Leistung. Beziehungsweise, wenn man 6 x 3.5A x 5V rechnet noch weniger, denn das ergäbe 105 Watt. Hier wissen die Chinesen wohl selbst nicht, wie sie rechnen sollen. Denn die rechnischen 105 Watt passen nicht zu den aufgedruckten 48 Watt. Oder zu den ganz ähnlichen Geräten mit einer USB-C statt USB-A Buchse mit Aufdruck 65 Watt. Ein eingeklebtes Gewicht konnte ich hier zum Glück nicht feststellen.

Es muss aber auch dazu gesagt werden, dass die Geräte nur um die 3 Euro gekostet haben. Und dafür kann man keine solch leistungsfähigen Geräte wie versprochen bauen. Und die gelieferten 3A können sich ja durchaus sehen lassen. Das dürfte sogar für einen Raspberry Pi in Version 3 oder 4 ausreichen - wohlgemerkt, darf sonst nichts angeschlossen werden. Oder für ein paar Arduinos oder ESP32 mit wenig Stromhunger parallel.

Man muss sich halt bewusst sein, dass man das bekommt, was man für den Preis erwarten kann und nicht das, wofür geworben wird. Aber ansich ein fairer Preis. Die verbauten Komponenten sind trotzdem aus der billigsten Schublade. Wer es sicher möchte, sollte vielleicht eher ein Markennetzteil aus Deutschland bestellen. Aber bitte nicht von einem windigen Händler, der die Billig-Netzteile aus China für 3 Euro einkauft, umlabelt und dann für den vielfachen Preis als "Original Marke" verkauft.