Blog 2022-09-02: Der Espresso-Algorithmus für den perfekten Espresso bzw. Lungo
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Im meinem letzten Kaffee-Blog habe ich einen himmlischen Espresso mit einer Graef CM 702 Kaffeemühle und einer günstigen Siebträger Maschine gezaubert.
Anfängerglück? Zufall? Oder geht es noch besser? Vielleicht lag das Wow! ja auch nur daran, dass ich von Kapselmaschine mit kompatiblen Billigkapseln auf Siebträger umgestiegen bin und der Unterschied geschmacklich hier so gewaltig ist.
Darum soll es in meinem heutigen Blog gehen. Denn ich habe noch ein wenig herumexperimentiert mit den Parametern, die mir möglich sind, um den perfekten Espresso zu machen.
Diese Parameter sind natürlich von der Kaffeemühle und der Maschine abhängig und was ihr damit einstellen könnt. Hier bezieht sich alles auf die Graef CM 702 Kaffeemühle und die Völkner CM5418-GS Siebträger-Maschine, die zumindest optisch baugleich mit der Klarstein Futura zu sein scheint.
Espresso oder Espresso Lungo?
Ein typischer italienischer Espresso hat 25 ml und wird in kleinen, bestenfalls angewärmten Tassen serviert. Das heißt, die kleine Espresso-Tasse ist mal gerade bis zur Hälfte gefüllt. Eventuell sieht es noch nach ein bisschen mehr aus, weil obenauf der Kaffeeschaum liegt, die sogenannte Crema. Ein Espresso ist schon ein sehr starker Kaffee und geht schon fast in die Richtung "dickflüssig".
Nicht ganz so heftig ist der Espresso Lungo, der "lange" Espresso. Dafür wird dieselbe Menge Espressopulver genommen, aber das Ergebnis hat dann so 40 bis 50 ml und ist nicht ganz so heftig. Es ist sozusagen zwei statt einem Schluck Espresso, dafür milder.
Und wenn man den Lungo noch mit heißem Wasser aufgießt, dann erhält man einen Americano, einen "verlängerten" Kaffee. Damit hat man dann eine Standard-Kaffeetasse voll, allerdings schmeckt das dann nicht genau wie Filterkaffee. Er ist etwas so dünn wie Filterkaffee, benutzt aber anders geröstete Bohnen und schmeckt noch nach Espresso, nach verdünntem eben.
Hoch konzentriert ist der Espresso Ristretto, der hat nur 15 ml Wasser und ist besonders stark. Hierfür werden auch besondere Röstungen benutzt.
Mein Kaffee-Lieblingsgetränk ist der Latte Macchiato. Also aufgeschäumte Milch, bei mir mit Zucker, in die ein Espresso oder Lungo gegeben wird. Der darf ein klein wenig bitter, aber nicht zu bitter sein, weil der Zucker die Bitterheit wieder ausgleicht.
Aber ich trinke auch mal einen Espresso Lungo zwischendurch. Wobei mir der Lungo eher zusagt, weil der nicht ganz so stark ist. Und Zucker kommt bei mir auch da hinein, weil ich das Bittere nicht so mag.
Was ich an Espressi-Geschmacksnoten überhaupt nicht mag ist, wenn der Espresso sauer schmeckt. Und auch das kann bei der falschen Zubereitung vorkommen.
Bevor man einen guten Latte Macchiato machen kann, muss man erst einmal einen guten Espresso oder Espresso Lungo machen können, denn der ist Grundlage dafür. Und wenn der nicht schmeckt, dann schmeckt man das im Macchiato zwar nicht ganz so schlimm raus, gut ist der Latte Macchiato dann aber auch nicht.
Wie der Espresso schmeckt, kann man selbst bestimmen. Je mehr der nachfolgenden Parameter man einstellen kann, desto mehr Spielmöglichkeiten hat man.
Das Wichtigste für einen Espresso ist die Durchlaufzeit
Aber eigentlich geht es immer um die Durchlaufzeit. Das heißt, wie lange das heiße Wasser mit dem Espressopulver in Kontakt kommt. Die muss passen, der Rest ist Feintuning. Die Durchlaufzeit sollte zwischen 20 und 30 Sekunden liegen, aber auch das ist Geschmackssache. Also wie man seinen Espresso geschmacklich haben will. Und es ist auch abhängig vom Ausgangsmaterial, also von den Espressobohnen.Für die Durchlaufzeit, also die Kontaktzeit Wasser / Espressopulver gelten folgende Grundregeln:
- Ist die Durchlaufzeit zu kurz, dann kommen vor allem die sauren Geschmacksnoten heraus. Man nennt den Espresso dann unterextrahiert. Die vielen, feinen Noten von Kaffeearomen hatten gar nicht die Zeit, sich zu entfalten.
- Ist die Durchlaufzeit zu lang, dann wird der Espresso bitter. Man nennt den Espresso dann überextrahiert. Die vielen, feinen Noten von Kaffeearomen sind zwar therotisch da, weil gelöst, werden von der dominanten Bitterkeit aber überlagert und erschlagen.
- Ist die Durchlaufzeit perfekt, dann kommen die vielen, feinen Kafeearomen, die an Nuss oder Schokolade erinnern können, zur Geltung. Der Espresso ist nur ganz leicht bitter.
Damit man auf die 20 bis 30 Sekunden kommt, kann man natürlich mehr Wasser durch das Kaffeepulver fließen lassen, dann hat man halt keinen Espresso mehr, sondern einen Lungo. Wenn man eh heißes Wasser für einen Americano zugießt, ist es noch weniger wichtig, wieviel Milliliter das Zwischenprodukt hat. Aber ein typischer italienischer Espresso hat nur 25 ml. Da ist es gar nicht so einfach, mit der geringen Wassermenge auf die optimalen 25 Sekunden (naja, bzw. persönliche Präferenz, da hilft nur probieren) zu kommen. Dann muss die Parameter richtig einstellen
Parameter für unseren Algorithmus, an denen man drehen kann
Die Parameter, um einen Espresso zu machen, sind:- Die Menge an Espressopulver: Die sollten für eine einfache Tasse 7g sein und für zwei Tassen natürlich das Doppelte. Hier bin ich mit meiner Siebträger-Maschine limitiert: in das 1 Cup-Sieb passen 7 Gramm, in das 2 Cup-Sieb 14 g, vielleicht auch ein bisschen mehr. Damit der Druck richtig aufgebaut werden kann, sollte das Sieb bis zu einer bestimmten Marke (im Bild dieser Rand in der Mitte) gefüllt werden. Dieser Rand ist übrigens auch dafür gut, dass hier ein Tamper gerade aufsetzt, denn bei der richtigen Größe kann der nicht über diese Verengung und das Pulver wird schön gleichmäßig und gerade niedergedrückt. Ist zu viel Luft über dem Pulver, dann wirbelt das heiße Wasser im Zwischenraum den Kaffee auf und man bekommt ein anderes Ergebnis.
Ich mache Kaffee nur für mich, also benutze ich das 1 Cup-Sieb. Meinen Tamper habe ich mit 51.2 mm Durchmesser am Fuß 3D-gedruckt. Damit geht er bis zum Rand und liegt gut auf der Verengung auf. Dann darf ich aber nicht mehr unter 7 g nehmen, weil sonst das Pulver nicht mehr genügend komprimiert wird. Und viel mehr darf ich auch nicht nehmen, weil sonst das Kaffeepulver schon beim Eindrehen mit der Dusche oberhalb in Berührung kommt, was auch nicht gut ist. Also kann ich an diesem Parameter nur minimal herumspielen. Oder ich benutze einen kleineren Tamper, ich habe noch einen mit 49 mm Durchmesser, der auch 6 g Pulver komprimieren kann. - Der Mahlgrad des Pulvers: Je feiner das Espressopulver gemahlen wird, desto fester wird der im Sieb komprimierte "Puck" und desto schwieriger ist es für das Wasser, diesen zu durchdringen; das Wasser läuft also langsamer durch. Außerdem werden auch mehr Geschmacksstoffe aus dem feineren Espressopulver gelöst, denn die Gesamtoberfläche ist größer. Ist der Mahlgrad grob, dann rauscht das Wasser nur so durch. Das kann man sich in etwa so vorstellen, ob man Wasser durch kleine Kieselsteine (grob) oder eben Sand (fein) gießt: bei den Kieselsteinen kommt das Wasser unten schneller an. Außerdem bleiben bei grobem Kaffeepulver Geschmacksstoffe auf der Strecke, die erst gar nicht herausgelöst werden können. Der Mahlgrad ist ein Parameter, den wir mit einer eigenen Kaffeemühle einstellen können.
- Die Komprimierung des Espressopulvers im Sieb: Je stärker das Pulver durch den Tamper zusammengedrückt wird, desto fester wird der "Puck" und desto schwieriger hat es das Wasser, durchzudringen und desto länger ist die Durchlaufzeit. Um einen sehr festen Puck zu durchdringen braucht es aber auch einen hohen Druck, aber da mach ich mir bei meiner Maschine keine Sorgen, das hat bisher immer geklappt. Außerdem ist die Komprimierung auch durch den Auflage-Rand limitiert. Und ewig fest pressen kann man mit dem Tamper auch nicht. Richtig viel ändern kann man hier nicht. Solange man gleichmäßig tampert, ist alles im grünen Bereich.
- Die Wassertemperatur: Die ist bei mir nicht einstellbar. Sie sollte so zwischen 92° und 96° Celsius liegen. Aber die ist bei meiner Maschine fest eingestellt.
- Der Wasserdruck: Je höher der Druck, desto geringer die Durchlaufzeit. Aber mit zu wenig Druck geht gar kein Wasser durch das Espressopulver. Als ideal werden immer wieder 9 bis 9.5 Bar genannt. Das ist bei meiner Maschine auf jeden Fall auch fest und wird sich wohl in dem Bereich bewegen. Die Maschine soll 15 oder sogar 20 Bar können. Wozu, weiß ich auch nicht, wenn nicht so viel gebraucht werden. Auch an diesem Parameter kann auch nicht herumdrehen.
- Die Wassermenge: Klar, je mehr Wasser durchs Pulver gedrückt wird, desto länger ist die Durchlaufzeit. Die Wassermenge kann sich für Einzel- und Doppeltasse ganz komfortabel an meiner Maschine einstellen. Die muss man allerdings immer bei einer echten Extraktion einstellen: Das Espressopulver wird nass und das fehlt natürlich dann in der Tasse. Pures Wasser abmessen ohne Espresso machen geht also nicht.
Die 6 Gramm Experimentierphase
Um den richtigen Mahlgrad zu finden, habe ich mit meiner Graef CM 702-Kaffeemühle unterschiedliche Mahlgrade einmal ausprobiert. Dabei immer ich immer 6 Gramm Espressopulver frisch gemahlen.
Da es ja einen gewissen Totraum gibt, das heißt, immer ein wenig Pulver in der Mühle bleibt, die dann beim nächsten Mahlen wieder mit herauskommt, habe ich zwischendrin immer dieselbe Menge zwischengemahlen und nicht verwendet, damit das Mahlergebnis immer auch der Mahlgradstufe entspricht.
Die hier genannten Mahlstufen können bei anderen Kaffeemühlen, auch wenn sie vom selben Typ sind, anders aussehen. Es gibt immer Toleranzen, wie der Mahlkegel in den Mahlkegel ragt, ob er genau mittig ist und so weiter.
Mit den unterschiedlichen Mahlgradstufen haben ich dann mit meinen 49 mm Tamper getampert und 41 ml Wasser durchlaufen lassen. Die Espressi habe ich pur und ohne Zucker probiert, um möglichst viele Geschmacksnoten wahrzunehmen. Natürlich jeweils nur ein Schlückchen, sonst hätte ich einen Herzkasper bekommen bei den vielen Espressi. Den Rest habe ich weggeschüttet und dann nachgeschaut, was so in der Tasste übrig bleibt (das nenn ich mal "Verschütt").
Die Ergebisse sehen wie folgt aus:
Mit "Wasserauslauf bei kurzem Vorlauf" ist übrigens gemeint, ob beim ersten mal Pumpen, also in den ersten 2 Sekunden der Zubereitung schon Wasser austritt. Das soll nicht sein, denn das dient nur zum Druckaufbau. Tritt hier schon Wasser aus, ist der Mahlgrad auf jeden Fall zu grob und die Durchlaufzeit wird zu gering sein. Die Durchlaufzeit ist natürlich ohne den Verlauf gemessen, sondern ist die Zeit, wo wirklich Espresso unten austritt.
Die Mahlgradstufe bezieht sich auf folgende Umstände: keine Unterlegscheiben in der Kaffeemühle, die Graef CM 702 ist so wie im Auslieferungszustand. Beim Einsetzen Mahlkörbchen des Mahlkörbchens standen sich die weißen Markierungen gegenüber.
Mein persönlicher Geschmack für einen Espresso Lungo
Irgendwie mag ich meinen Espresso nicht so bitter. Darum hat mir Stufe 10 bis 15 für meinen Espresso Lungo am besten geschmeckt. Auch wenn der mit nur 12 bis 15 Sekunden unterextrahiert ist. Aber das spielt natürlich auch mit der Espressosorte, also Bohnen und Röstung, zusammen, ich hatte hier Segafredo Intermezzo. Mit dem bei mir sonst üblichen Zucker wäre wohl die Stufe 10 das richtige für mich. Wohlgemerkt für einen Espresso Lungo, nicht einen Macchiato, da darf ein ruhig ein wenig mehr Wumms haben, damit man den Espresso auch herausschmeckt.Das mit den Kaffeeresten nach dem Ausschütten ist zwar minimal (siehe Bilder), aber ich bilde mir ein, dass die Schuld daran waren, dass die feinere Mahlung ein wenig im Hals gekratzt hat. Ist aber vielleicht auch nur Einbildung. So ein bisschen Schwebstoffe dürfen bei einem Espresso ja ruhig sein, sagt man.
Ein 25 ml Espresso mit der Graef CM 702?
Wie man sieht, die theroretisch optimale Durchlaufzeit von 25 Sekunden gab es mit Stufe 5. Allerdings für 45 ml. Um auf 25 Sekunden bei den 25 ml für einen "echten" Espresso zu kommen, da mahlt die Graef CM 702 wohl nicht fein genug im Auslieferungszustand.Aber da kann man tricksen. Denn es wurden bei mir drei Unterlegscheiben, oder ich glaube richtig heißt es Passscheiben, mitgeliefert, die man unter den Mahlkegel legen kann. Dadurch kommt der Mahlkegel, der ja seine Spitze nach oben hat noch ein bisschen näher an bzw. in den Mahl-Trichter oberhalb schieben. Dadurch wird der Spalt zwischen Kegel und Trichter noch enger. Und hier findet ja die Mahl-Action statt: die Bohnen zerreiben sich hier zwischen Kegel und Trichter.
Ausprobiert habe ich das noch nicht, werde ich vielleicht später einmal. Persönlich brauche ich das ja nicht, da ich Latte Macchiato-Trinker bin und hin und wieder mal, wenn es ein schneller Koffein-Schub sein soll auch mal einen Lungo trinke. Und dafür passt die Einstellung an der Graef, so wie sie geliefert wurde und jetzt ist. Ich weiß nicht, ob mit Unterlegscheibe der Lungo noch in der Range ist oder ich dann jedesmal die Unterlegscheibe rein bzw. raus tun müsste. Das probiere ich mal, wenn ich das nächste mal Zeit und Lust zum Experimentieren habe.
FAQ
Das Einersieb sollte man ja nach Möglichkeit nicht benutzen habe ich gehört.??Hab ich in einem Video von den Kaffeemachern auf YouTube auch gehört. Aber ich bin Single und trinke halt nur eine Tasse auf einmal. Zwei sind mir zuviel und jedesmal die Hälfte wegschütten, nee. Klar, darfst du das 2 Cup Sieb nicht mit nur 7 g voll machen, dann entstehen zu viele Wirbel über dem Pulver-Puck und der könnte schnell reißen und dann hast du ein Channeling.
Aber wozu gibt es dann das Einersieb, wenn man es nicht benutzen soll? Ich glaube, dass passt schon für eine Tasse und der Espresso wird auch nicht schlechter. Vielleicht haben sich die zwei von den Kaffeemachern auch nur auf ihre 18g und 2 Tassen eingeschossen. Einhellige Empfehlung sind übrigens 14g pro Doppeltasse bzw. 7g für die Einzeltasse. Wobei man davon natürlich je nach eigenem Geschmack abweichen darf.
Aber im Blog erklär ich ja gerade, das man experimentieren und seine Proben verkosten muss, um heraus zu finden, was einem persönlich am besten mundet. Kommt natürlich auch auf Bohnen und Maschinen an. Einfach irgendwas haargenau so von irgendwelchen Experten übernehmen mit "die werden schon Recht haben" bringt nicht das optimale Ergebnis, obwohl es bestimmt eine gute Ausgangsbasis ist.
Ich glaube gehört zu haben, dass die Durchlaufzeit dann startet wenn das Kaffeepulver in Berührung mit dem Wasser kommt. Also schon bei der Präextraktion (den ersten 2s)?Dann ist es ja gut, dass ich dazu geschrieben habe, wie ich das sehe. Denn ich bin der Ansicht, dass der Espresso durchläuft, wenn er auch unten rauskommt, also heißes Wasser durch das Pulver transportiert wird und dort die Aromen extrahiert.
Habe bei der Graef CM 702 Mühle aber direkt die dickste Passscheibe untergelegt und mahle jetzt meistens auf Stufe 10-15.Oh. Ich hatte die drei mitgelieferten Passscheiben aus Edelstahl doch glatt als gleich dick angesehen. Ich habe jetzt noch einmal nachgemessen: Außendurchmesser 13.9 mm, Innendurchmesser 7.2 mm. Die Dicken unterscheiden sich aber marginal: 0.2 mm, 0.25 mm und 0.3 mm, mit dem bloßen Auge nicht zu erkennen.