Elektronik / Reparatur Billig China Netzteil 5 Volt 2 Ampere TYL-U90EWE

Zuallererst einmal ein Warnhinweis: im Folgenden repariere ich ein 230 Volt Schaltnetzteil. Das solltet ihr nicht nachmachen, wenn ihr nicht absolut sicher seid, was ihr da tut und die entsprechenden Instrumente wie Multimeter habt. Ich übernehme keine Haftung für nichts!

Mein Always On Display verhielt sich schon seit einiger Zeit seltsam. Das basiert ja auf einem Raspberry Pi Zero, einem LCD mit 20x4 Zeichen, einem 1838T-Infrarot-Epmfänger, einem Radar Bewegungsmelder Modul RCWL-0516, einem Sendemodul 433 MHz zum Funksteckdosen schalten und einem Buzzer für Pieptöne.

Zu allererst ist das Radar-Modul ausgefallen. Was zur Folge hatte, dass das Display auch wirklich "always on" war, auch wenn ich nicht davor saß. Ursprünglich hatte ich das so programmiert, dass nach einer gewissen Zeit, in der der Radarsensor keine Bewegung registriert hat, das Display aus geht und so geschont wird.

Jetzt allerdings war es immer an. Mir war es den Aufwand nicht wert, so schauen, ob ich da jetzt nicht mehr wissend was an der Firmware geändert hatte, oder ob das Modul dafekt war. War es halt immer an. Auch nicht so schlimm.

Doch dann breiteten sich die Macken des AOD aus. Als nächstes funktioniert der Service, der das 433 MHz Modul mit Alexa verband, nicht mehr richtig. Folge war, dass Alexa nach einer gewissen Laufzeit von ein paar Tagen meine Befehle, meine 433 MHz Steckdosen zu schalten nicht mehr ausführte. Ich schob das erstmal auf den Fauxmo-Service, vielleicht hatte der ja irgendwo ein Memory Leak oder sowas. Mein Workaround war es, den Service täglich neu zu starten, danach dann einmal den Raspi Zero neu zu starten.


Irgendwann hat dann auch das Display selbst gesponnen. Dann mal auf die Idee gekommen, dass das AOD vielleicht zuwenig Strom bekommt und das Netzteil ausgetauscht. Und - oh Wunder - alles funktionierte wieder reibungslos und einwandfrei wie am ersten Tag: das Radar-Modul, der Service, alles. Das Problem war also echt gemein versteckt und lag daran, dass das Netzteil hin und wieder nicht genug Leistung lieferte.

Das ist extra hinterhältig. Ich hatte ja schon ein kaputte Billig-China-Netzteil. Das hat allerdings nur "POPP!" gemacht und war dann ganz kaputt.

Darauf, dass ein Netzteil langsam "stirbt", ja "krank" ist und dann Effekte hervorruft, die nach Software-Fehler ausschauen, darauf war ich erst einmal nicht gekommen. Aber jetzt war ich ja schlauer.

Und heute ist mir aufgefallen, dass mein CountDown-Wecker, der bei mir im Schlafzimmer steht, ein paar Stunden zu wenig anzeigt. Der wird mit ebenfalls mit einem solchen Netzteil betrieben. Ich hatte damals ausgetestet, dass das Netzteil, das angeblich 2 Ampere machen soll und einem Samsung Handy-Netzteil wie einem Ei dem anderen gleicht (sogar die Produktnummer "TYL-U90EWE" Ist ähnlich), immerhin rund 950 mA schafft. Zwar nur die Hälfte wie beworben, aber für ein Uhrprojekt mehr als genug.

Da der Countdownwecker jetzt jahrelang recht genau ging - vielleicht eins, zwei Minuten im Jahr falsch - und jetzt plötzlich Stunden fehlten und ich rein gar nichts an der Firmware geändert hatte fiel mir das Netzteil ein und die wundersamen Eigenschaften, die es so entfalteten in Sachen Fehler produzieren.

Also habe ich das Netzteil jetzt gegen ein Markengerät (nämlich mein Original Samsung Netzteil mit 1.55 A) ausgetauscht. Und bin fast davon überzeugt, dass mit meinem Wecker jetzt wieder alles wunderbar läuft. Das wird sich in den nächsten Tagen zeigen, ob er immer noch rumspinnt, oder nicht.

Und wo liegt jetzt der Defekt genau?

Jetzt könnte ich natürlich sagen: "Schmeiss weg das Ding. Hat eh nur einen Euro oder so gekostet. Und kauf in Zukunft nicht mehr das allerbilligste, dann hast du dir auch keine ewige Fehlersuche mehr ans Bein gebunden.". Aber irgendwie hat mich dann doch die Neugier getrieben herauszufinden, woran es lag oder zumindest wie es in dem Billig-Netzteil so aussieht.

Zuerst einmal habe ich es einem kleinen Lasttest unterzogen. Auf dem Gehäuse stand noch "940 mA", die ich direkt nach dem Kauf darauf geschrieben hatte. Denn schon da hatte ich durchgemessen, wieviel Milliampere denn das Ding wirklich liefert, bevor die Spannung zusammenbricht. Das die 2 Ampere übertrieben waren, hatte ich mir bei einem China-Direkt-Import schon gedacht. Immerhin fast die Hälfte konnte es also anfangs liefern.

Mein Lasttest allerdings ergab, dass es jetzt immer noch 940 mA lieferte, also gar nicht defekt war. Dem hinterhältigen Teil traue ich aber zu, dass es sich mit der Zeit erwärmt und dann erst sein seltsames Verhalten an den Tag legt. Darum auch gleich erstmal der Austausch des Netzteil, dass mein Countdown-Wecker speist.

Bei der Gelegenheit auch gleich das Netzteil angeschaut, dass so Probleme am AOD machte. Das sah nämlich auch beim ersten Test normal aus und lieferte die urprünglichen 970 mA. Doch ein paar Sekunden später fing es dann an, komplett durchzudrehen und in schnellem Takt an und aus zu gehen. Da muss ja jeder Verbraucher bei mit rumspinnen.

Bestückung des Netzteils


Also das Netzteil einmal auseinandergenommen und reingeschaut. Das Öffnen ging eigentlich recht einfach: den Deckel bekommt man mit Messer oder auch Fingernagel ab. Und kann dann die Platine entnehmen.

Und auf der ist echt nicht viel geboten. Minimalbestückung würde ich sowas nennen: 1 Mini-Transformator, 3 Elkos, ein Tantal-Kondensator, zwei Dioden, 2 Klammern, um die Netzspannung rein zu führen und eine USB-A-Buchse für die 5V Ausgangsspannung.

In Verdacht hatte ich einen Kondensator, der es nicht mehr richtig tut. Die trocknen ganz gerne mal aus, besonders die billigen. Also einen nach dem anderen ausgelötet und gemessen, wieviel Kapazität sie noch haben. Und siehe da: der C3 hatte nur noch rund 300 µF statt der aufgedruckten 470 µF.

Irgendwo in meiner Grabbelkiste habe ich dann einen passenden Elko gefunden und den eingelötet. Passend nicht nur von den Werten, sondern auch passend in dem Sinn, dass es in das schmale Gehäuse passt. Alles wieder zusammengelötet, ein bisschen die Platine gesäubert und dann getestet.

Ergebnis: das Netzteil funktioniert wieder und scheint längerfristig die Leistung von rund 950 mA zu bringen ohne zu spinnen. Das Netzteil könnte ich jetzt also wieder verwenden. Allerdings sollte ich immer im Hinterkopf haben, dass es extrem unzuverlässig ist und sich da eventuell bald wieder ein Fehlverhalten einschleicht.

Video

Und wer sich live anschauen will, wie ich das Netzteil auseinander nehme und repariere, für den gibt es noch ein kleines Video:




Ein Youtube-Leser hat mich darauf hingewiesen, dass es sich bei dem hellblauen Bauteil auf dem Bauplatz CY nicht um einen, wie von mir im Video eingeschätzt, Tantal-Kondensator handelt, sondern vielmehr um einen Y-Kondensator. Und das es wichtig sei, hier auch wieder einen Y-Kondensator einzusetzen, sollte man ihn austauschen müssen.

Es ist nachvollziehbar, hier nicht zu sparen, denn der Kondensator sitzt zwischen 230V und 5V Schiene und dient als Entstörkondensator (1). Sollte er so "durchbrennen", dass er leitend wird, dann würden die 230V auch auf der Niederspannungsseite durchschlagen und dann wäre das Berühren der USB-Buchse unter Umständen sogar tödlich.

Der verbaute Kondensator ist ein Keramik-Kondensator mit dem Aufdruck "102 1KV", dass heißt, er hat eine Kapazität von 1000 PicoFarad (10 plus 2 Nullen) oder eben 1 Nanofarad und eine Spannungsfestigkeit von 1000 Volt (1 KV).

Der Bauplatz gibt CY an und weist auf einen zu verbauenden Y-Kondensator hin. Der Aufdruck "Y" fehlt aber auf dem Bauteil und 1 KV scheint auch ein wenig wenig zu sein, besser sind wohl 5 KV (1) (2).

Hier wurde also gespart, weil gute Y-Kondensatoren nicht billig sind. Ob das trotzdem sicher ist, kann ich nicht beurteilen. Dazu müsste man viele Überspannungstests mit speziellem Equipment machen und auch eine Ahnung haben, welche Maximalspanungen auf der Haussteckdose bei Störungen hier in Deutschland möglich sind.

Als Vorsichtsmaßnahme empfiehlt es sich bei einem kaputt gegangenen Billig-Netzteil dieses nicht zu berühren und es spannungslos zu machen, indem man die Mehrfachsteckdose ausschaltet oder aussteckt. Bzw. wenn das Netzteil direkt in der Wandsteckdose steckt, vorher den Sicherungsschalter zu unterbrechen. Außerdem sollte man nur das Plastikgehäuse berühren und vom blanken Metall der USB-Steckdose fern bleiben. Das kann einem das Leben retten, wenn mehrere unglückliche Umstände zusammenkommen, sprich "es wirklich dumm läuft".

Das Vorgehen, kaputt gegangene Geräte, die sich noch in der Steckdose befinden, vor dem Ausstecken sicher spannungslos zu machen (sprich: Sicherung raus) und keine blanken Metallteile zu berühren ist im Allgemeinen eine gute Idee und Vorgensweise, egal ob es sich nun um Staubsauger oder Bohrmaschine handelt. Eine schlechte Idee hingegen ist es, Geräte zu öffnen, von denen man nicht genau weiß, wie sie im Inneren funktionieren. Dies gilt unter Umständen auch, wenn der Stecker herausgezogen ist. In Geräten wie Röhrenfernseher oder Mikrowelle können trotzdem noch immense Energien in Kondensatoren gespeichert sein, die einen ums Leben bringen können.

Fazit

Mein Fazit lautet: Lieber ein klein bisschen mehr für ein USB-Netzteil ausgeben als ewig einen Fehler suchen, der zum Schluss da steckt, wo man ihn nicht vermutet.

Außer der Zeit, die man verschwendet stellen solche Billig-Geräte, die an allen Ecken gespart haben auch ein Sicherheitsrisko dar. Sei es durch elektrischen Schlag oder durch Brandgefahr.

Die Produktwarnungsseite der EU-Kommission (englisch) zeigt einem da viele aktuelle Beispiele. Einfach einmal in der Suchmaske "charger" eingeben und sich überraschen lassen. Ein Klick auf ein Ergebnis zeigt einem dann an, was genau im Argen liegt bei diesem Produkt.

Quellen, Literaturverweise und weiterführende Links

(1) Wikipedia: Entstörkondensator Klassifizierung
(2) Elektronik-Kompendium: Kondensatornetzteil
(3) Suche nach Produktwarnung auf der Seite der EU-Kommission