Löten: Mit Flussmittel läuft es besser

Bleihaltiges und bleifreies Lötzinn

Das Löten in der Elektronik dient dazu, eine Verbindung zwischen zwei Kontakten dauerhaft herzustellen. Diese Verbindung soll in erster Linie eine elektrische sein, das heißt, sie soll sicherstellen, das Strom ohne großen Widerstand von Kontakt A zu Kontakt B weitergeleitet wird. Und zum anderen soll sie mechanischen Natur sein. Hier fungiert das Löten wie eine Art Kleber: ein Bauteil soll dauerhaft an seinem Platz gehalten werden.

Geeignet für solche Verbindungen sind metallische Legierungen, denn klar: Metall leitet. Gold leitet mit am besten, aber auch Silber und Kupfer leiten gut. Jetzt wird natürlich niemand mit Gold löten (außer der Juwelier, wenn er etwas an Schmuckstücke anlötet), zumindest nicht in der Hobby-Elektronik, denn das wäre viel zu teuer.

Darum hat man in der Vergangenheit mit einer Legierung (Mischung) von Zinn und Blei, etwa Halbe/Halbe gelötet. Das funktionierte gut und die Metalle waren billig zu bekommen. Die richtige Mischung der Legierung (vielleicht noch ein wenig Kupfer oder Silber dazu) hatte dann zudem die wundersame Wirkung, dass das Lot dann auch noch bei einer niedrigeren Temperatur schmilzt als seine Eigenkomponenten (Stichwort: "Eutektische Legierung"). Perfekt, dann muss der Lötkolben nicht so hoch aufheizen und man kann ihn billiger aufbauen und es spart zudem noch Strom.
Schmelzpunkt Blei: 327,5 °C Schmelzpunkt Zinn: 231,9 °C Schmelzpunkt Legierung Bleilot: 180-190 °C, 183 °C bei 63% Zinn und 37% Blei (1) = Lötspitzentemperatur von 300 – 320 °C (2) Schmelzpunkt Legierung Bleifrei: Sn95,5%, Ag3,8% Cu0,7%: 217°C (etwa doppelter Preis) = Lötspitzentemperatur von ca. 350 °C
Irgendwann hat man dann herausgefunden, dass Blei gar nicht so gesund ist. Darum ist es heutzutage, genauer gesagt seit der Gesetzesnovellierung des Elektro- und Elektronikgeräte Gesetzes vom 24.05.2015, in der industriellen Fertigung für die meisten Produkte verboten. Wer allerdings noch seine Bleilot-Bestände privat aufbrauchen will, dem ist freigestellt, sich selbst langsam zu vergiften. Obwohl ich glaube, dass das nicht so schlimm ist, solange man nur ab und zu, vielleicht einmal die Woche etwas für eine Stunde zusammenlötet. Wie immer gilt: Die Dosis macht das Gift.

Für Arbeiter, die 8 Stunden am Tag löten, ist bleifreies Lot und eine gute Absauganlage allerdings sehr vorteilhaft und ich glaube auch Teil der Arbeitsschutzgesetze in Deutschland. Wichtig, wenn man auch nach einem ganzen Arbeitsleben als Löter als Rentner noch durchschnaufen können möchte.

Bleifreies Lot hat - so sagt schon der Name - kein Blei mehr in sich; es ist aus anderen Metallen legiert: sehr viel Zinn (so 90-100%) und dazu edlere Metalle wie Kupfer, Silber oder Gold. Je edler das Zweitmetall, desto teurer wird es natürlich. Bei reinem Zinn haben wir allerdings einen hohen Schmelzpunkt, und schon die Legierung mit 0.7% Kupfer (Bezeichnung Sn99,3 Cu0,7) bringt schon ein bisschen etwas. Teurer wird es, wenn man Silber (Argentum, Ag) zumischt (Sn95,8 Ag3,5 Cu0,7).

Den Bleifreien Loten ist gemein, dass sie (wenn bezahlbar) alle einen höheren Schmelzpunkt haben. Mit dem alten 25 Watt-Lötkolben (max. Temperatur ca. 340 °C) bringt man die nicht oder nur mit Mühe zum schmelzen - darum ist eigentlich auch immer ein neuer Lötkolben beim Lötzinnwechsel angesagt. Mein neuer Lötkolben hat zum Beispiel 75 Watt und soll bis 480 °C schaffen.

Blei fungierte auch als inerten, also reaktionsträger Bestandteil - dadurch werden die Kupfer-Pads auf der Platine nicht so sehr angegriffen als mit purem Zinn. Außerdem ist die niedrigere Temperatur schonender. Mit dem alten Bleilot und niedrigeren Temperaturen kann man also ein bisschen länger "auf der Platine rumbraten", bis sich ein Pad von der Platine löst.

Neue, bleifrei gelötete Platinen sind natürlich von Haus aus auf die höheren Temperaturen ausgelegt und halten mehr aus. Wenn man aber auf alten Platinen, etwa in alten Fernsehern (wer kennt nicht diesen speziellen Geruch von Lot und Papier-Platine?) herumlötet, sollte man Vorsicht walten lassen und vielleicht doch zum alten Bleilot greifen (das Lot auf der alten 80er Jahre Platine enthält eh noch Blei), um den Patienten nicht über den Jordan zu schicken.

Flussmittel

Wie schon erwähnt, bestehen die Pads, also die Kontakte auf der Platine, durch die ein Bauteil gesteckt und dann fest verlötet wird, in den allermeisten Fällen aus Kupfer. Dies ist nur eine dünne Schicht, die auf einem nichtleitenden, temperaturbeständigen Trägermaterial (Hartpapier, glasfaserverstärkter Kunststoff etc.) aufgebracht ist. Die Schicht ist so dünn, dass man sie sogar mit etwas Gewalt herunterkratzen kann, was man beim Prototyping mit sogenannten Lochrasterplatinen durchaus gewollt macht.

Kupfer läuft auch ganz gerne mal an der Luft an, es oxidiert. Das ist natürlich doof, wenn wir eine gute elektrische Verbindung mit möglichst geringem Widerstand haben wollen.

Und hier kommt das Flussmittel ins Spiel: es benetzt die Lötstelle und entfernt die Oxide durch eine chemische Reaktion. Dadurch wird das Kupfer blank und die Verbindung elektrisch gut leitend und stabil.

Außerdem vermindert das Flussmittel die Oberflächenspannung des flüssigen Lotes, das heißt, das Lot wird flüssiger und kann besser ins Lötloch fließen und sich auf dem Pad verteilen. Der oft grüne Lötstop-Lack auf der Platine wiederum verhindert, dass das Lötzinn dabei das Pad verlässt und einen Kurzschluss zum nächsten Pad erzeugt. Flussmittel und Lötstop-Lack arbeitet hier zusammen für ein gutes und stabiles Löt-Ergebnis.

Ich trete hier nicht nochmal die Diskussion von oben los, aber: es gibt bleihaltiges und bleifreies Flussmittel und sicher sind nicht alle Inhaltsstoffe (wie in der Chemie üblich) immer unbendenklich. Wer viel lötet, sollte hier vielleicht auf einen renommierten Hersteller achten, der ein wenig mehr kostet und nicht an allen Ecken spart. Denn so richtig findet man nur selten eine Inhaltsangabe bzw. chemische Zusammensetzung der Flussmittel. Das fällt wohl auch unter das Betriebsgeheimnis, so wie die genaue Coca Cola-Formel.

Flussmittel im Lötdraht


Praktischerweise bringt der Lötdraht schon Flussmittel mit sich. Er versteckt sich im Inneren des hohlen Lötdrahtes. Rechts das Bild eines schräg angeschnittenen Lötdrahts. In der Mitte das weiße ist ein halbflüssige Flussmittel-Paste, die zusammen mit dem Lötzinn beim Kontakt mit dem Lötkolben schmilzt.

Das macht das Applizieren von Flussmittel beim Löten denkbar einfach: es kommt automatisch immer die "richtige" Menge Flussmittel mit und bereitet die Lötstelle vor. Es gibt Lötzinn mit mehr und mit weniger Flussmittel in der Mitte. Hier muss man probieren und seine Favoriten-Mischung finden.

In den allermeisten Fällen reicht dann auch nur das Lötzinn, um eine Schaltung auf eine Platine zu löten. Mehr braucht man im Normalfall nicht.

Wann man zusätzliches Flussmittel braucht

Doch manchmal braucht man eben doch mehr Flussmittel, zum Beispiel, wenn die Lötpads sehr nach aneinander stehen, damit die Lotkügelchen auch auf den Pads bleiben, auf denen man sie haben will und keine Lot-Brücken zu benachbarten Pads bilden. Oder wenn man das Lot ein wenig flüssiger haben will, damit es gescheit durch das Löt-Loch auch auf die andere Seite der Platine läuft.

Oder man braucht überhaupt kein zusätzliches Lötzinn, sondern nur Flussmittel. Wenn man zum Beispiel etwas auslöten will. Flussmittel sorgt dann dafür, dass alte Lötstelle desoxidiert werden und schneller schmelzen und leichter mit der Entlötpumpe oder Entlötlitze aufgenommen werden, weil wieder die Oberflächenspannung des flüssigen Lots herabgesetzt wird. Die Idee, einen SMD-Chip ohne zusätzliches Flussmittel auslöten zu wollen kann man gleich wieder vergessen.

Da gibt es dann mehrere Formen von Flussmittel: als Lötwasser, als Lötpaste, als Kolophonium, als Löt-Gel, Löt-Fett oder Löt-Honig. Sprechen wir doch mal die an, bei denen ich bereits Erfahrungen gesammelt habe:

Kolophonium als Flussmittel


Kolophonium kann man nicht nur als Geigenharz benutzen, damit die Geige schön klingt. Das durch Destillation aus Baumharz gewonnene Produkt enthält auch Bestandteile, die Metalloxide anlösen und so das Löten vereinfachen, was uns beim Löten hilft.

Kolophonium kommt in kleinen Döschen und ist fest, es sieht ein bisschen aus wie Bernstein. Man kann den Lötkolben darin eintauchen, was es sofort schmelzen lässt und ein bisschen flüssiges Harz auf den Lötkolben hinterlässt, den man dann schnell zur Lötstelle führt, bevor es verdampft ist.

Manche mögen der Geruch von dampfenden Kolophonium als angenehm empfinden, aber auch wenn Kolophonium natürlichen Ursprungs ist, kann es bei längerem Gebrauch allergische Reaktionen hervorrufen oder in Dampfform Asthma auslösen und Ekzeme verursachen (3). Außerdem verbrennt es schnell und hinterlässt dann braune bis schwarze Bestandteile um die Lötstellen, die unschön aussehen. Man kann die Flecken aber mit Alkohol oder Isopropanol entfernen.

Persönlich finde ich Kolophonium weniger als Flussmittel geeignet - es gibt heutzutage bessere Optionen.

Hochflüssiges Flussmittel in Stiftform


Es gibt Flussmittel auch in Stiftform als sogenannten Flussmittelstift. Das funktioniert so ähnlich wie bei einem Lackstift: man drückt mit der Spitze auf ein Blatt Papier und darauf hin fließt das hochflüssige Flussmittel in die saugfähige Spitze, mit der man dann das Flussmittel auf die zu lötenden Stellen aufbringt.

Hört sich komfortabel an, aber ich habe da keine guten Erfahrungen gemacht, was eventuell auch daran liegen könnte, dass ich zu billig gekauft habe. Denn beim Drücken auf die Spitze kam gleich ein ganzer Schwall Flussmittel heraus, der sich über die ganze Platine verteilte. Ein vorsichtigeres Dosieren war irgendwie kaum möglich. Und mit der Spitze über Pins, etwa fürs Auslöten, zu fahren, macht sie sehr schnell kaputt.

Ende vom Lied war, dass der Stift im Nu leer war und das meiste der Flussmittelflüssigkeit daneben ging. Darum kann ich Flussmittelstifte eigentlich nicht empfehlen. Aber nur wegen der Applizierungstechnik. Die Lötergebnisse waren aber ganz gut.

Flussmittel-Paste bzw. -Gel als Flussmittel


Wenn Kolophonium aus der Dose zu fest und das Flussmittel aus dem Flussmittelstift zu flüssig ist - wie wäre es dann mit etwas dazwischen?

Diese Lücke bildet das Flussmittel in Pasten- oder Gelform. Man darf es beim Kauf nicht mit "Lötpaste" verwechseln, denn Lötpaste sind winzige Kügelchen von Lötzinn in einem gelartigen Träger, die man für das SMD-Löten mittels Stencil-Folien benutzt. Geschmolzen ist es dann Lötzinn. Flussmittel-Paste hingegen ist reines Flussmittel ohne Metallanteil.

Die Flussmittel-Paste hat den Vorteil, dass es nicht gleich über die ganze Platine verteilt wie das hochflüsige Zeug aus dem Stift und das man es trotzdem direkt an der Lötstelle auftragen kann, was Kolophonium ja nur schwerlich kann.

Handlich ist, wenn die Paste in Spritzen mit einer feinen Spitze kommt. Dann kann man die Paste direkt an Ort und Stelle aufbringen. Dann hat man eine Mini-Wurst mit der Konsistenz von Zahnpasta. Beim Erhitzen wird die Paste dann dünnflüssig und verteilt sich hervorragend und kriecht sogar unter auszulötende SMD-Chips.

Flussmittel-Paste ist mein Favorit. Ich bin begeistern von der Konsistenz, die sich punktgenau auftragen lässt und der Sparsamkeit. Ich glaube, so eine Spritze wir mehrere Jahre bei mir halten.


Perfekt wird das Ganze mit einem an der Spitze angebrachten Applikator. Dann kann man Spritze wie einen großen Stift in der Hand halten und leicht auf den Hebel drücken, damit eine kleine Wurst aus der Spitze kommt.

Lässt man den Hebel dann wieder los, stoppt der Pasten-Fluss. So kann man mit nur einer Hand sehr genau die Stellen und Bereiche mit der richtigen Menge Flussmittel versorgen und danach zum Lötkolben oder zur Heißluft-Pistole greifen, um es ganz zu verflüssigen und das Löten zu erleichtern.

Diese Spritzen-Applikatoren bekommt man für ca. 6 Euro aus China (nach Flux Dispenser suchen) oder vielleicht für ein paar Euro mehr im deutschen Versandhandel.

Oder man macht es wie ich und druckt sich einen Applikator selbst mit dem eigenen 3D-Drucker aus. Dazu habe ich übrigens ein Video gemacht (siehe unten).

Video

In nachfolgendem Video bastele ich die Teile aus zwei 3D-Modelle mit meinem 3D-Drucker aus und bastele sie zusammen. Das Video ist aber auch allgemein interessant, da ich vorweg ein paar Worte zum Löten und zu Flussmittel allgemein verliere:




Hier die Links zu den Printables-Modellen, falls ihr das nachbauen wollt:

Quellen, Literaturverweise und weiterführende Links

(1) Lot bei Wikipedia
(2) Reichelt: Warum auf bleifreie Lote wechseln
(3) Kolophonium bei Wikipedia
Flussmittel bei Wikipedia
Youtube-Video: Test meiner neuen Löt-Station